Kaltblütig und hinterhältig drei Menschen getötet
Dem Mörder Otto Hiemer schlug am 22. Juli 1938 in Stadelheim die letzte Stunde
von Willibald Heigl,
veröffentlicht in den "Historische Blätter Für Stadt und Landkreis Eichstätt" 3/2004 & 4/2004
Die Gemeinde Nassenfels liegt im südlichen Teil des Landkreises Eichstätt. Zu ihr gehören auch der Ortsteil Meilenhofen und die Aumühle. Die Schutter, die diesem Landstrich ihren Namen gibt, verbindet die beiden Örtlichkeiten. Der gemächlich der Donau zustrebende Fluss ist aber nicht deren einzige Gemeinsamkeit. Beide Namen werden immer dann in einem Atemzug genannt, wenn von den schwersten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts im Schuttertal die Rede ist. Ein und derselbe Täter ermordete nämlich innerhalb von wenigen Jahren in Meilenhofen und in der Aumühle drei Menschen.
Die aus Möckenlohe stammende Josefa Habermeier diente in Meilenhofen beim Bauern Konrad Gegg. Am Abend des 1. März 1932 war sie zusammen mit mehreren jungen Leuten und mit ihrem Schwager (ihre Schwester Walburga war am Ort verheiratet) bei einem Heimgarten. Josefa Habermeier beteiligte sich an der lustigen Unterhaltung und am Gesang; sie war heiter, fröhlich und guter Laune.
Gegen 22 Uhr bat das Mädchen die Burschen — unter ihnen auch der Knecht des selben Dienstherrn — sie nach Hause zu bringen. Dabei sagte sie zu, anderntags wieder dabei zu sein. Am Haus angekommen, verabschiedeten sich die Begleiter von ihr, um anschließend noch in die Wirtschaft zu gehen.
Auf Klopfen am Fenster öffnete der Dienstherr dem Mädchen die Haustüre, und nach etwa 20 bis 30 Sekunden ging in der Kammer der Magd oberhalb des Hausflures das Licht an. Der Knecht hatte seine Kammer ebenfalls im ersten Stock. In der späteren Nacht weckte ihn ein Geräusch. Es horte sich so an, als hätten sich im Flur die Fußbodenbretter bewegt. Ferner glaubte er zu vernehmen, wie jemand leise die Treppe hinunter ging. Der Knecht kümmerte sich aber nicht weiter darum.
In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages bot sich dem Dienstherrn ein schrecklicher Anblick. Die 17-jährige befand sich am
Fensterkreuz ihrer Kammer in sitzender Stellung in einer offenen Schlinge — erhängt. Das Gesicht berührte fast den Boden. Ein Strumpf war abgelegt; der andere lag auffallend quer über einem Fuß. Ihre Tageskleidung hatte Josefa nicht mehr an. Unter dem Kopfkissen
lagen mehrere Garbenstricke. Auf dem Fensterbrett fand sich ein Abschiedsbrief mit folgendem Inhalt:
"Liebe Schwester! Ich weiß, dass es traurig ist, wenn man einer jüngeren Schwester ins Grab schauen muss. Aber ich halte es nicht
langer mehr aus, lieber will ich in den Tod gehen, als mich von den Leuten ausrichten zu lassen. Lebet wohl, liebe Eltern und Geschwister, weil ich keinen Vater habe. Es ist kein anderer als der Wirtsknecht, der mich so ins Unglück gestürzt hat. Den ich immer gesagt habe, ist es nicht. Die letzten Grüße an meine Freundin Crusius."
Diesen Abschiedsbrief bekamen die Angehörigen nicht zu Gesicht.
Josefa Habermeier erwartete von ihrem Geliebten, Otto Hiemer, ein Kind. Zwei Tage vor der Tat will der 18-Jährige einen mit ,,Josefa Habermeier” unterschriebenen Brief erhalten haben. In ihm stand u. a., ,,dass man in ein paar Tagen von ihr etwas hören werde“. Hiemer machte mit diesem Dokument was er sonst nie tat: er ließ es seine Dienstherrin lesen. Bei der polizeilichen Einvernahme legte der Verdächtige diesen Brief dem Gendarmen vor. Der Beamte stellte zutreffend fest, dass die Schriftzüge dieses Briefes die gleichen waren, wie jene des in der Kammer vorgefundenen Abschiedsbriefes. Gerade deswegen schöpfte er keinen Verdacht. Auf den Gedanken, dass beide Schriftstücke gefälscht sein könnten, also gar nicht von der Hand der Habermeier stammten und auf diese Weise ein Selbstmord vorgetäuscht werden sollte, kam er leider nicht. Auch die an Ort und Stelle erschienene Gerichtskommission fand keinen Verdacht einer strafbaren Handlung. Auf die
Idee, dass beide Schriftstücke dennoch in die Hand eines vereidigten Sachverständigen gehörten, kam zu diesem Zeitpunkt amtlicherseits also niemand. Es lief auf einen Selbstmord hinaus. Jedoch alle, die das Mädchen persönlich kannten, hegten gefühlsmäßig ernste Zweifel daran. Abschließend legten sich die Ermittlungsbehörden eigenverantwortlich dennoch auf einem Selbstmord fest. Jahre darauf sollte diese Lässigkeit der Ermittler noch fatale Folgen haben.
Christliches Begräbnis blieb versagt
Die Katholische Kirche versagte nach den kirchenamtlichen Bestimmungen ihren Beistand und damit die christliche Bestattung.
Das ist im Sterberegister des Pfarramtes Meilenhofen entsprechend dokumentiert. Dort heißt es erklärend sogar: "...Selbstmord
durch Erhängen. Doppelmord, weil in anderen Umständen".
Dem Pfarrprovisor Georg Endres fiel es offenbar schwer, den Angehörigen und den Einwohnern Meilenhofens die Haltung seiner Kirche überzeugend und glaubhaft zu vermitteln. Der Inhalt des Schreibens vom Bischöflichen General-Vikariat vom 3. März 1932 an das Katholische Pfarramt Meilenhofen spricht für diese Annahme.
Heißt es doch darin: "Es wird hiermit bestätigt, dass dem Herrn Pfarrprovisor Georg Endres von Meilenhofen der strikte Auftrag gegeben wurde, die durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Dienstmagd Josefa Habermeier in Meilenhofen nicht kirchlich zu beerdigen."
Josefa Habermeier sollte zwar im Friedhof beigesetzt werden dürfen; allerdings nur in der Ecke, in der die Kränze verrotten. Hierüber machte sich in Meilenhofen Unmut breit. Josefas Schwager sprach deshalb persönlich bei der Bistumsleitung vor und erreichte ein
Entgegenkommen Die Tote durfte daraufhin wenigstens bei den ,,unmündigen Kindern" bergraben werden. In den Abendstunden eines Tages brachten Josefas Schwager und der Ortsschreiner den Leichnam unter die Erde. Es blieb auf Jahre hinaus ein bescheidenes
und im wahrsten Sinne des Wortes ein ,namenloses” Grab.
Die Zweifel am Selbstmord des Mädchens wollten nicht verstummen. Sie bestätigten sich — Gott sei Dank — einige Jahre später auch; leider aber - und dieses muss besonders unterstrichen werden — erst im Zusammenhang mit zwei weiteren Morden.
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