Flugzeugabsturz bei Adelschlag
von Stefan Bockelmann
Am Morgen gegen 7:30 Uhr des 11.April 1945 wurde im Bereich des Bahnhofs Adelschlag ein US-Aufklärungsflugzeug durch eine auf einem Waggon stationierten Flak abgeschossen. Die Maschine schlug wenige Meter südlich der Bahnlinie zwischen dem Gut Wittenfeld und Prielhof auf. Der Pilot 1st Lt Walter J. Vetter kam dabei ums Leben.
Was war passiert?
Die 111th Tactical Reconnosaince Squadron (111th TRS – 111. Aufklärungsstaffel) ist seit der Invasion in Frankreich stationiert. Anfang April 1945 verlegt die Staffel nach Hagenau. 1st Lt. Vetter gehört dieser Einheit an und hat bereits 59 erfolgreiche Missionen hinter sich. In den frühen Morgenstunden des 11.April 1945 starten Lt. Vetter und sein Rottenflieger Capt. Douglas A. Harville in ihren F-6C, der Aufklärerversion der berühmten P-51 „Mustang“, zur bewaffneten Aufklärung in den Raum Neustadt/Donau – Ingolstadt.
Sein Rottenkamerad berichtet später über die Geschehnisse. Demnach verlief der Flug zunächst über eine Stunde routinemäßig, ohne besondere Vorkommnisse. Doch dann entdeckte die Rotte einen Zug, der am Bahnhof von Adelschlag stand. Während Capt. Douglas A. Harville in 2 – 3 Tausend Fuß Höhe zur Absicherung und Beobachtung blieb, flog 1st Lt. Vetter im Tiefflug über den Zug, um ihn – so die offizielle Aussage des Rottenfliegers - zu photographieren. Als er seine Maschine gerade hochzog, bemerkte Capt. Harville das Mündungsfeuer einer Flak hinter der Maschine seines Staffelkameraden, und versuchte ihn noch zu warnen. Doch die Maschine von 1st Lt. Vetter muss einen Volltreffer erhalten haben und explodierte beim Aufschlag ein paar hundert Fuß abseits vom Zug. Der Absturz passierte gegen 07:30 Uhr.
Aus Sicht beider Seiten
Die Uhrzeit deckt sich in etwa auch mit den deutschen Unterlagen. In einem Telegramm, welches vom Adelschlager Bahnhof an die vorgesetzte Dienststelle geschickt wurde, wird von zwei feindlichen Maschinen berichtet, von denen eine um 7:18 Uhr abgeschossen wurde.
Die Aussage von Capt. Harville, dass Lt. Vetter nur Aufnahmen gemacht habe, scheint leider nicht den tatsächlichen Ereignissen zu entsprechen. So wurde nachweisbar an diesem Tag zu ungefähr derselben Uhrzeit der Adelschlager Schrankenwärter Magnus Heimerl bei diesem Angriff schwer verwundet, dass er zwei Tage später im Krankenhaus Eichstätt an den Folgen der Verletzungen („Schußbruch des Oberschenkels, Chocwirkung“) starb.
Am 14. April 1945 wurde Magnus Heimerl auf dem Friedhof in Adelschlag beigesetzt.
Ein weiterer Bahnangestellter entging nur knapp seinem Schicksal, als er während des Angriffs in einer Blechbaracke Schutz suchte, und nur wenige Zentimeter neben ihm die Geschosse der Bordkanone einschlugen. Es wird von insgesamt fünf Einschusslöchern berichtet.
Ein Stück vom Kuchen?
Aufklärungseinsätze wurden bei der US Air Force in der Regel immer in Rotte geflogen. Eine Rotte besteht aus 2 Maschinen, weshalb man sie oft auch „Max und Moritz“ nannte. Tiefangriffe waren für Aufklärer normalerweise verboten, da die Piloten eine besondere Ausbildung bezüglich der Aufklärung hatten, und nur im Rahmen der Selbstverteidigung einen Kampf eingehen sollten. Fotos von ihrer Aufklärungsmission waren wichtiger. Man kann nur spekulieren, ob der Zug als ‚willkommene Abwechslung‘ angesehen und die Flak zu spät erkannt wurde? Die deutsche Luftwaffe dürfte zu dieser Zeit für die Aufklärer kaum mehr eine nennenswerte Gefahr dargestellt haben, so dass vielleicht der eine oder andere Pilot entgegen seines Auftrages in die Rolle eines Jagdbombers geschlüpft ist um sich auch ein Stück vom „Siegeskuchen“ abschneiden zu können. Wie erwähnt, ist das aber reine Spekulation des Autors
Als Fischfutter in den Dorfweiher
Wegen der zu dieser Zeit alltäglichen Bomben- und Tieffliegerangriffe auch auf die Zivilbevölkerung war der Hass auf die alliierten Flugzeugbesatzungen so groß, dass immer wieder von Lynchmorden der mit Fallschirm abgesprungenen Besatzungsmitgliedern berichtet wird. Die sterblichen Überreste der bei Abstürzen tödlich verletzten Flieger wurden nicht selten verscharrt oder auf dem Misthaufen „entsorgt“. In diesem Fall wurde sogar der Vorschlag gemacht, die sterblichen Überreste des Piloten als „Fischfutter“ in den örtlichen Dorfweiher zu werfen. (Anm.d.V.: Aussage einer Augenzeugin zu Beginn meiner Recherchen)
Soweit kam es dann zum Glück doch nicht, wie ein Schreiben des katholischen Pfarramts Möckenlohe an das Bischöfliche Ordinariat vom 6.April 1946 beweist:
[...] die Leiche des bei Bahnhof Adelschlag im März 1945 abgeschossenen amerikanischen Fliegers, die schwer verstümmelt geborgen und im Friedhof zu Adelschlag im Sarg beerdigt wurde, wurde schon im Lauf des vorigen Sommers von amerik. Militär wieder ausgehoben und abtransportiert.“
(Anm. d. V.: im angegebenen Monat hatte sich der Pfarrer sicherlich geirrt)
Walter J. Vetter
Walter Jack Vetter wurde am 17. Januar 1919 geboren und wuchs in dem Städtchen Alva in Oklahoma auf. Er war das Mittlere von 5 Geschwistern. Unter Freunden und Verwandten wurde er nur Jack genannt. Er war ein harter und unermüdlicher Arbeiter. Sein Lebensmotto war „ Anything worth doing is worth doing right.“ 1938 trat er in die Army ein und kam zur 45th Division. 1942 begann er seine fliegerische Ausbildung, 1943 war er Fluglehrer in Victoria, Texas. Im Jahr 1944 kam er dann nach Italien und Frankreich. Sein größter Wunsch war, einer in der Nähe der 45th Division operierenden P-51 Einheit zugeteilt zu werden, damit er seinen ehemaligen Kameraden helfen konnte. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, als er zur 111th TRS, die gerade in Frankreich stationiert war, versetzt wurde. Die meisten seiner 60 Einsätze konnte er zur Unterstützung der 45th Division fliegen. Zusammen mit dem einzigsten Fliegerass der 111th TRS, Lt. Valentine .S. „Tim“ Rader wurde er am 22. Februar in einen Luftkampf mit deutschen Me-109 verwickelt. Laut einem amerikanischen Zeitungsartikel schoss jeder der Beiden 3 Me’s ab und beschädigten jeweils drei weitere. In den offiziellen US-Listen wurden ihm jedoch „nur“ 2,5 Abschüsse anerkannt. Dafür und für weitere fliegerische Leistungen wurde ihm sowohl der „Silver Star“ als auch das „Purple Heart“ – sehr hohe militärische Auszeichnungen - verliehen.
Letzte Ruhestätte in St.Avold, Frankreich
Tatsächlich wurden die sterblichen Überreste von 1st Lt. Vetter auf dem Friedhof von Adelschlag beigesetzt. Im Juni 1945 fand dann die Umbettung auf den amerikanischen Soldatenfriedhof in Bensheim statt. Erst nach zweifelsfreier Identifizierung durch das XII. Tactical Air Command fand Lt. Vetter im Oktober 1945 seine letzte Ruhestätte auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof St. Avold in Frankreich.
Verbleib des Flugzeugwracks
Die Reste der Maschine müssen noch einige Zeit sichtbar gewesen sein. Der 2014 verstorbene Franz Weisheit aus Zell a. d. Speck berichtete dem Autor gegenüber, wie er nach dem Krieg als Schuljunge auf dem Weg zum Bahnhof an den Flugzeugtrümmern vorbeikam. Westlich von Adelschlag gibt es eine Stelle, welche als "Fliegerloch" bezeichnet wird. Das legt den Verdacht nahe, dass die Reste des Flugzeugwtacks darin "entsorgt" wurden. Einige Teile wie das Spornrad waren 2005 noch im Besitzt eines ortsansässigen Landwirts.
ein spätes Gedenken
Anlässlich des 60sten Jahrestag der Ereignisse von damals wurde zum Gedenken an den einheimischen Schrankenwärter Magnus Heimerl und den US-Piloten Walter J. Vetter unter Mitwirkung des Eichstätter Heimatforschers Rudi Hager, des Neuburger Heimatforschers Johann Wolmuth (+), dem damals noch lebenden Zeitzeugen Franz Weisheit (+) und dem Autor Stefan Bockelmann ein Gedenkkreuz errichtet.
2020 wurde das Kreuz auf Initiative des Ingolstädter Heimatforschers Andreas Gebert im Rahmen einer kleinen Gedenkveranstaltung erneuert.
Nachwort & Danksagung
Mir ist bewusst, dass die Stellung des bei diesem Angriff ums Leben gekommenen einheimischen Schrankenwärter Magnus Heimerl zu kurz kommt. Mein Interesse und meine Recherchen galten jedoch immer in erster Linie dem Luftkriegsgeschehen in unserer Heimat in der Zeit des zweiten Weltkriegs.
Mein Dank gilt für Ihre Unterstützung bei meinen Recherchen nachfolgenden Personen und Einrichtungen
- Franz Weisheit, Zeitzeuge (+)
- Robert Morgott, Heimatforscher
- Rudi Hager, Heimatforscher
- Hans Jürgen Hauprich, Militärhistoriker
- Department of the Airforce,
- Kay & Norman Vetter, Hinterbliebene des abgestürzte US-Piloten
- Andreas Gebert, Ingolstädter Heimatforscher, der die Erneuerung des Gedenkkreuzes im Jahr 2020 initialisiert hat.
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