Der Moosbauer von Wolkertshofen (7/24)

Veröffentlicht am 23. Juli 2024 um 18:56

Ein Vertriebenenschicksal

von Josef Ettle, aus Eichstätt

mit freundlicher Genehmigung,  veröffentlicht im EK Sa / So 7. / 8. März 2009

Ältere Leute erinnern sich in Wolkertshofen und Nassenfels an den Moosbauern. Das war der Hausname von Fritz Herrmann, der ihm verliehen worden war, weil er ein Stück schwarzer, mooriger Erde im Schuttertal zu einem fruchtbaren Garten umgewandelt hatte.

Der Moosbauer war Jahrgang 1885, stammte aus Klein-Schockau in Böhmen und war Heimatvertriebener. Seine erste Station in Bayern war Marienstein, wo er zwei Winter über in einer unbeheizbaren Stube hauste. Wie er einem Zeitungsreporter im Jahr 1954 erzählte, hatte er sich dabei beide Füße erfroren und humpelte den Rest seines Lebens. Am 15. Dezember 1949 kam Fritz Herrmann nach Wolkertshofen, wo er zwischen Wolkertshofen und der Aumühle ein Stück Land pachten konnte.

Auf dem torfigen Boden richtete er sich häuslich ein. Teils bestand seine "Villa" aus Brettern und Pflöcken, teils war sie in den Boden eingegraben. Im Schuttertal wurden bald Schnurren und auch ein wenig schaurige Geschichten von dem Mann erzählt. Als in seinem Garten allmählich Gelbe Rüben, Buschbohnen, Rote Rüben und Blumenkohl gediehen und rund 2000 kleine Obstbäumchen wuchsen, die er aus Apfel- und Birnenkernen züchtete, bekam er den Namen Moosbauer. 

Das täuschte natürlich schon arg über die Wirklichkeit hinweg. Denn ein Hundert-Tagwerk-Landwirt war er nicht, sondern bettelarm. Der Moosbauer hat niemandem etwas getan. Wenn er allerdings durch den Ort ging, um beim Kramer einzukaufen, haben ihn die Kinder wegen seines Äußeren schon ein wenig gefürchtet.

Bei seinem Besuch beim Moosbauern im November 1954 fand der Berichterstatter in der Bretterhütte ein Durcheinander von Holzstücken, Töpfen, Werkzeugen und Flaschen, aber auch einen Küchenofen mit Kacheln vor. In der kleinen Schlafstube standen neben einem einfachen Bett sechs neue Bienenkästen. Fritz Herrmann betrieb nämlich eine kleine Imkerei, was er von seiner alten Heimat her konnte, und worauf er recht stolz war. An der Wand hingen als Schmuck Seiten aus Illustrierten mit Szenen aus dem russisch-japanischen Krieg und ein Bild von Mao Tse-tung inmitten von Bauern.

Fritz Herrmann erzählte damals, dass er Junggeselle geblieben sei, "weil es nur schlechte Weiber gibt". Seine Geburtsurkunde, die er sorgfältig aufhob, wies aus, dass sein Vater Lehrer war. Er selbst hatte keinen Beruf erlernt und war Anti-Militarist, so bekannte er. Das Grübeln über Gott, über die Sterne, die Tiere und die Pflanzen beschäftigte ihn. Das alles stellte ihm viele Fragen, auf die er aber in seinem einsamen Mooshäuschen keine Antwort fand.

m Standesamtbuch der ehemaligen Gemeinde Marienstein ist neben dem Namen Friedrich Herrmann eingetragen: "Geboren am 23. April 1885, Ankunft am 2. Mai 1946, Arbeiter, keine Angehörigen". Eine Anfrage bei der Gemeinde Nassenfels ergab, dass Fritz Herrmann in den Tagen vor Weihnachten 1949 mutterseelenallein nach Wolkertshofen kam. Am 8. März 1958 meldete er sich in Peiting im Landkreis Weilheim-Schongau an, ohne sich in Wolkertshofen abzumelden. Dort wohnte er, der Erinnerung eines Wolkertshofeners zufolge, in einem Altenheim. Auf Ersuchen teilte der Markt Peiting jetzt mit: "Fritz Hermann ist am 26.03.1963 von Peiting nach ,unbekannt’ verzogen. Wir haben nie eine Rückmeldung erhalten. Auch ein Sterbedatum ist nicht bekannt."

(Anmerkung: Josef Ettles Vater stammte nach eigener Aussage aus Wolkertshofen)